Seite 142
Der
älteste, am 14. 4.1850 geborene Sohn Johannes wandte sich dem Studium
zu 24). Durch innere Berufung zum Priesterstande hingezogen, empfing er
am 2. 8.1874 die hl. Priesterweihe. Da er wegen der Wirren des
Kulturkampfes zunächst nicht in der Seelsorge angestellt werden konnte,
ging er zur Vertiefung seiner Studien an die Akademie in Münster, wo er
am 1. 6.1876 zum Licentiaten der Theologie promoviert wurde. Im Januar
1877 übernahm er als Nachfolger des Begründers der Ermländischen
Zeitung, des späteren Domherrn Julius Pohl 25), die Schriftleitung
unseres Heimatblattes, ein in jener bewegten Zeit dornenvolles Amt.
Wenn er auch selbst ruhig und besonnen schrieb, so mußte er doch als
verantwortlicher Redakteur der Zeitung auch für die Äußerungen seiner
nicht immer gleich vorsichtigen Mitarbeiter einstehen, so daß er
mehrmals vor Gericht zu erscheinen hatte. Einmal wurde er sogar zu
einer Gefängnisstrafe von 6 Wochen verurteilt, die dann allerdings in
der Berufungsinstanz in eine Geldstrafe von 300 Mark umgewandelt wurde.
Im
Dezember 1883 wurde er nach fast sieben aufreibenden Kampfjahren als
zweiter Kaplan in Braunsberg angestellt. Daneben behielt er die
Verlagsleitung der Ermländischen Zeitung, die er vom 1. 10. 1878 bis
zum 1. 4. 1901 innehatte. Im Jahre 1887 betraute ihn sein Bischof mit
der Leitung des nach beendeten Kulturkampf neu aufzubauenden
ermländischen Priesterseminars, das er zunächst als Subregens, sodann
als Regens führte. Als Anerkennung für seine Leistungen in diesem
verantworungsvollen Amt verlieh ihm die Akademie in Münster anläßlich
ihrer 25jährigen Jubelfeier die Würde eines „doctor theologiae honoris
causa". Am 12. 2. 1901 wurde er als Domkapitular an der Frauenburger
Kathedralkirche installiert. Bereits im Jahre 1905 ernannte ihn Bischof
Andreas Thiel zum Generalvikar. Diese Amt, mit dem ihn dann auch
Bischof Augustinus Bludau betraute, verwaltete er bis zum Jahre 1919,
also die ganzen schweren Kriegsjahre hindurch. Anläßlich seines
goldenen Priesterjubiläums verlieh ihm die Staatliche Akademie in
Braunsberg die Würde eines Ehrenmitglieds. Im März 1928 ernannte ihn
der Heilige Vater zum Päpstlichen Hausprälaten. Bereits im Jahre 1916
zur Würde des Domdechanten berufen, hat er dieses Amt noch bis zu
seinem Tode am 2. 7. 1935 ausgefüllt.
„Schlicht und anspruchslos
in seinem Wesen", so heißt es im Nekrolog der Ermländischen Zeitung
24), „verkörperte er in seiner Gediegenheit und Treue den Typ besten
ermländischen Volktums. Innig wußte er sich mit seiner Heimat, seiner
Sippe verbunden. Nur, wer seine Heimat und Familie richtig liebte,
konnt sich nach seiner Überzeu-
24) Zum folgenden vgl. B. S w i t a l s k i, Domdechant Dr. Theol. Johannes Wichert - in der Erml. Zeitung vom 1. 8. 1924, 53. Jahrgang, Nr. 178. 25) Vgl. über ihn Altpr. Biographie - Königsberg 1941 - S. 512.
|
|