Bladiau-Friedrichshof, Kreis Heiligenbeil
Willy Wiechert
Der Friedrichshof war seit 1735 durch Urkunden in den
Kirchenbüchern von Bladiau nachgewiesen, vor 1735 sind alle
Kirchenbücher durch Brand vernichtet. Der Hof wurde seit
über 200 Jahren immer in der männlichen Linie vom Vater auf
den Sohn bis zur Vertreibung 1945 vererbt.
Das Bauerngeschlecht Wiechert gehört zu den ältesten
Hufenbauern. Ursprünglich waren die ältesten Bauernhöfe 4
Hufen groß. Im Zeitpunkt der Vertreibung gehörten zum
Friedrichshof 76 ha. Er lag nordwestlich an der Reichsstraße
1. Der Acker war tiefgründiger, sandiger Lehm bis lehmiger,
humoser Sand - dränierter kleefähiger Weizen- und
Rübenboden, auch guter Roggen- und Kartoffelacker. Es bestand
ein günstiges Futter- und Weideverhältnis. Zum Hofe
gehörten auch 5 ha gute, ertragreiche Haffwiesen.
Den Hof habe ich 1920 von meinem Vater Friedrich Wiechert
übernommen mit einem Viehbestand von 21 Milchkühen, einem
Zuchtbullen und 25 Stück Jungvieh. An Pferden waren 8
Arbeitspferde und 4 Fohlen, an Schweinen 1 Eber, 3 Zuchtsauen
und 15 Mastschweine, an Schafen 1 Bock und 20 Mutterschafe,
auch 30 Legehennen, vorhanden.
Mein Vater hatte immer von den umliegenden Gütern gute
Herdbuchkälber bzw. Jungbullen zur Zucht und Aufbesserung des
Viehbestandes gekauft. Ich habe mich gleich 1920 dem
Milchviehkontrollverein Bladiau angeschlossen. Durch die
ständige Kontrolle war es mir möglich, den Milchertrag und
Fettgehalt meiner Herde zu steigern, was mich auch bewog, der
Ostpreußischen Herdbuch-Gesellschaft beizutreten. Seit
Gründung der Molkereigenossenschaft Bladiau 1890 waren mein
Vater und später auch ich Genossenschaftsmitglieder. Ich habe
auch vorher nur gekörte Bullen zur Zucht verwandt. Seit
Gründung der Bullenhaltungsgenossenschaft Bladiau bin ich
immer deren Bullenhalter gewesen.Noch im Dezember kaufte ich
auf der kleinen Auktion in Heiligenbeil einen Zuchtbullen aus
der Herde von Saint Paul-Jaecknitz, ein Zeichen, daß wir uns
damals noch gar nicht bewußt waren, in welch großer Gefahr
unsere Heimat war.
Ich habe in meinem Betrieb immer verheiratete, zuverlässige
Melker gehabt, nach Einberufung meines Melkers zur Wehrmacht
hatte ich einen tüchtigen französischen Kriegsgefangenen bei
der Herde, der selbst noch nach meiner Vertreibung mit dem
Dorftreck, fast bis zur Einnahme von Bladiau durch die Russen,
beim Vieh geblieben ist. Einen Teil des Viehs hat die Deutsche
Wehrmacht geschlachtet, ebenso Schweine, den übrigen Teil von
Vieh und Fohlen hat man in die Gegend von Follendorf ans Haff
getrieben und erschossen.
Mein Vater hatte Sechsfelderwirtschaft mit dreijährigem
Klee-Timotheum. Nach der Hofübernahme habe ich nur
zweijährige Kleeschläge gehabt und anstelle des dritten
Kleeschlages Weizen gebaut. Mir standen ca. 100 Fuder Klee und
Heu und viel Stroh zur Verfügung. So konnte ich meinen
Viehbestand auf 60 Stück erhöhen. Der Boden wurde
regelmäßig gekalkt und ertragreich gehalten. In den ersten
Jahren habe ich noch Schafzucht beibehalten, als Hütejungen
knapp wurden, habe ich die Schafe abgeschafft und meinen
Kuhbestand auf 25 Stück erhöht.
Der Ostpreußischen Kaltblutzüchtervereinigung gehörte ich
mit vier eingetragenen Hauptstammbuchstuten an, dem
Ostpreußischen Warmblutzuchtverband mit einer Zuchtstute und
habe einige Remonten der Wehrmacht liefern können.
Alljährlich konnte ich einige Pferde und Fohlen verkaufen und
gute Einnahmen aus der
Pferdezucht verbuchen.
An Schweinen habe ich das weiße Deutsche Edelschwein
gezüchtet, 1 Eber und 5 Zuchtsauen wurden gehalten. In der
Hauptsache wurden Ferkel verkauft - das war ein sicherer und
schneller Umsatz. Bis 30 Mastschweine wurden zur Verwertung
der Kartoffeln jährlich gefüttert und verkauft. Silos waren
vorhanden.
Hühnerzucht wurde mit 250 Hennen und Brutapparat betrieben.
Mein landwirtschaftlicher Betrieb war mit allen notwendigen
neuzeitlichen Maschinen wie Trecker, gummibereiften
Ackerwagen, Binder, Dreschmaschine, Gebläse,
Saatreinigungsanlage usw. ausgestattet.
Meine Zuchtbullen und Eber stellte ich der Gemeinde zur
Verfügung. Gleich nach Übernahme des Hofes trat ich
der Buchführungs-Genossenschaft der Landwirtschaftskammer
bei. Die Buchstellenleiter haben mir jährlich bestätigt,
daß ich mit meinem Betriebsergebnis statistisch immer zu den
höchsten Reinerträgen eingestuft war. Der Absatz aller
Erzeugnisse, der Einkauf von Futter- und Düngemitteln, der
Geldverkehr wurde nur über die am Ort befindliche Molkerei-,
An- und Verkaufsgenossenschaft und Raiffeisengenossenschaft
abgewickelt.
Am 9. Februar 1945 fuhr meine Frau Gertrud geb. Korell mit
meinen beiden Töchtern und mehreren befreundeten Familien auf
zwei mit je zwei Pferden, darunter tragende Stuten, bespannten
Gummiwagen bei Dt. Bahnau über das brüchige Eis des Frischen
Haffs, nachdem von der Gauleitung endlich die Räumung der
Heimat von Frauen und Kindern angeordnet war. Meine
Arbeiterfamilien hatte ich schon einige Tage früher übers
Eis geschickt. In vierwöchiger Fahrt sind die Familien mit
Zivilpolen als Kutscher unter Führung eines
landwirtschaftlichen Beamten bis zur Domäne Rosenow in
Mecklenburg gekommen. Nach sieben Wochen mußten sie vor den
nahenden Russen mit den letzten beiden Stammstuten
weiterflüchten und kamen am 13. Mai 1945 im Vorort Klein
Flottbeck bei Hamburg an. Dort hat der eine Zivilpole die
letzten Pferde bis zu meiner Ankunft am 1. August treu und
brav freiwillig betreut.
Ich mußte nach Anweisung des Kreisleiters am 18. März 1945
den Dorftreck bei Leysuhnen über das Eis des Haffs führen.
Meine beiden Warmblutpferde sollten schnelle Fahrt
ermöglichen, denn russische Panzer schossen bereits ins Dorf.
Wir Männer, soweit wir volkssturmpflichtig waren, sollten uns
nach der Haffüberquerung wieder beim Heimatbataillon melden.
Es war jedoch unmöglich, die Frauen und Kinder mit Pferden
und Wagen bei ständigen feindlichen Beschuß dem ungewissen
Schicksal zu überlassen. Die Russen waren bei Stettin zur
Ostsee gestoßen, wir waren vom Fluchtziel abgeschnitten und
mußten auf Anweisung wieder Richtung Danzig-Zoppot
zurückfahren. Bis Anfang April haben wir mit unseren Pferden
Futter für die Wehrmacht aus den frontnahen Gebieten
abgefahren.
Als Danzig in Brand geschossen war, fuhren wir mit dem Rest
des Trecks in Richtung Ostpreußen, kamen aber nur bis Steegen.
Am 15 April bekamen wir Freistellung vom Wehrdienst und
konnten uns verschiffen lassen. Mit den beiden letzten Pferden
des Dorftrecks sind wir bis zur Dampferanlegestelle
Nickelswalde-Schiewenhorst gefahren. Dort habe ich tränenden
Auges meine letzte Warmblutzuchtstute dem ungewissen Schicksal
überlassen müssen. Nach meinem Eintreffen über Dänemark in
Hamburg mußten wir am 9. Oktober 1945 mit den letzten beiden
Pferden wegen Futtermangels nochmal trecken und kamen am 14.
Oktober in Lippe an. Bis 1947 habe ich versucht, die beiden
letzten Pferde zu halten, in dem guten Glauben, wir würden
bald nach der Heimat zurückfahren können.
Mein einziger Sohn ist bei den letzten Kämpfen zwischen
Braunsberg und Frauenburg gefallen. Der Friedrichshof in
Bladiau soll nach Augenzeugen als alleiniger Hof die schweren
Kämpfe um Bladiau überstanden haben, und von allen 13
Gebäuden soll nur der Ruhesitz (Altenteilerhaus mit Stall)
abgebrannt sein. Im Wohnhaus hat der russische Ortskommandant
gewohnt, und die Gebäude sollen erhalten und instandgesetzt
sein. Noch 18 Jahre nach der Vertreibung aus unserer lieben,
unvergeßlichen Heimat haben wir die Hoffnung auf eine
Gerechtigkeit und Rückkehr unserer Sippe nach der alten
Heimat nicht aufgegeben.
Gott möge uns helfen.
gez. Willy Wiechert
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