Aus dem Jahrbuch der Bäuerin Agnes Wichert
in MontauVeröffentlicht
in den Nachrichtenblättern der
Arbeitsgemeinschaft Wichert im Dezember 1938
(Das Original steht in einem alten Schulheft
und ist im Besitz von Herrn Christian Pansegrau
in Oplawitz bei Bromberg, dem Enkel der
Schreiberin.)
Die Mennonitin Agnes wurde 1817 in Montau im
Kreis Graudenz geboren und heiratete am 16.7.1836
in zweier Ehe Cornelius Wichert aus Schöneich.
Ein Sohn David wanderte nach Nordamerika aus,
die Tochter Agnes ist die Mutter des Christian
Pansegrau.
Vorwort:
Hier muß
eine Fehlinterpretation vorliegen. Nach meinen
Unterlagen und der geprüften Stammtafel muß die
Verfasserin des Tagebuches meine Urgroßmutter
Marie Balzer sein. Die Agnes Wichert war ihre
Tochter und war mit Christian Pansegrau
verheiratet!
Es existiert
auch ein Brief von Frau E. Pansegrau,
Studienrätin a. D. aus Erlangen, Bahnhofplatz 6.
vom 18.01.1964. Aus diesem geht hervor, daß die
Schreiberin obigen Tagebuches wohl eher die Marie
Balzer, verw. Unrau, verheiratet mit Cornelius
Wichert, ist:
"Über
die Marie Balzer, verw. Unrau, verh. Corn.
Wichert ist noch allerlei Persönliches
überliefert, sie war eine sehr aufgeweckte,
sachlich denkende Frau. .. Ich habe ihr
"Jahrbuch", ein einfaches Schulheft, in
dem sie für jedes Jahr die wichtigsten
Ereignisse für ihren Hausstand eintrug, selbst
in der Hand gehabt, meine Abschrift davon ging
leider, wie alles andere 1945 in Bromberg
verloren. Wichtig waren für sie die Geburten
ihrer Kinder, Witterung, Ernteertrag, Käufe und
Verkäufe, bzw. Preise, technische Neuerungen, z.
B. das 1. Petroleum, statt Rüböl, die
gemeinsch. angeschaffte Dreschmaschine,
ungerechtfertigte Preissteigerungen bei
Hofverkäufen durch den Makler und ähnliches.
Von ihrer Tochter Agnes könnte ich mehr
berichten, weil ich öfter zu Besuch in Oplawitz
war."
Jürgen
Wichert
Die Deutschen Weichselbauern nahmen bei ihrer
Einwanderung in die neue Heimat tatkräftig den
Kampf auf gegen die verheerenden Fluten der
Weichsel und rangen dem Strom in harter Arbeit
Land um Land ab, befestigten seine Ufer und
gewannen fruchtbares Neuland. Die polnischen
Adligen sahen die deutschen Bauern gern,
siedelten sie an, gewährleisteten ihnen ihre
evangelische Freiheit, sagten ihnen freie Wahl
von Prediger und Lehrer, die deutsche Sprache und
vor allem ihre persönliche Freiheit zu. Das Wort
"Der Osten macht frei", sprach sich
bald herum, und allenthalben erscholl das Lied
vom Osten:
NACH OSTLAND WOLLEN WIR REITEN!
Vom 14. Jahrhundert ab ziehen Deutsche nach
dem Osten, der Freiheit entgegen. Jahrhunderte
vergehen. Immer neue Scharen, Städter und Bauern
brechen auf zu kulturschöpferischer Tat. Von
grosser Bedeutung im schicksalsvollen Kampf mit
dem Weichselstrom waren die Mennoniten.
Sie sind alle fromme, aber sehr
selbstverantwortliche, freie Menschen. Das hat
sie deutsch erhalten. Das Wort in dem schlichten
Heft der Wichert-Bäuerin von den "rechten
Mitteln" gilt für viele Deutsche an der
Weichsel. Einer ihrer späten Pioniere ist der
Mennonit Cornelius Wichert, der immer noch, wie
seine frühen Ahnen, mit Härte und
Pflichtgefühl seinen Dienst tat im "Lande
von Thorn bis Danzig".
Und nun spricht die Agnes Wichert:
"Schreibe dieses 1879 Witwe
Wichert für meine Kinder zum Nachsehen.
So manches erlebt die vielen Jahre in Montau seit
1832.
Hauptsächlich 1855
das doppelte unglückliche Jahr, Eisgang war d.
24ten Maerz u. anfangs Juli der grosse Regen; es
regnete 3 Tage und so dass es stellenweise die
Pferde bis am Bauch auf die Landstrasse war. -
1844 war auch ein sehr grosses Sommerwasser /
1845 wieder Sommerwasser, auch 1839. Das Jahr
1835 war es gut / ich machte 100 bis 112 Pfd.
Butter von 22 Kühe / dann hat man es schwer.
Mein Mann Unrau hatte so zu Weihnachten mit
Sreckbein stich gemacht zu 3 Silbergr. 4& /
dann lachten die Frauen. Sie bekamen 2 ½ Sbg /
das heisst nur so lange die Kühe im Stall waren
(sonst wurde Käse gemacht, 3 den Tag, manche
wogen 25 Pfd. d. Stück / den Sommer 7000 Pfd.
Käse, da ist Arbeit mit.) / Kartoffeln 4 Sbg. d.
Scheffel. / Wir setzten ein M...
Ich bin 1817 geb. Meine lieben Kinder ich habe
vieles erlebt / Ich habe geheiratet 1832 den
Wittwer H. Unrau. Er starb 1836 den 8. Februar.
Ich war 16 Jahre alt. Jetzt 19 Jahre alt. 1836
den 16. Juli habe ich zum.zweitenmal geheiratet /
d. Junggesellen Cornelius WICHERT aus Schöneich.
1836 war ein sehr gesegnetes Jahr / es gab 120
Scheffel Raps / kostete 3 rM 10 Sbg d. Scheffel /
Roggen, Gerste wie Weizen war auch gut, den Preis
weiss ich nicht mehr.
1837
da bauten wir in Montau das grosse Wohnhaus / Das
Wasser kam den 14. Mai / den 1 ten Feiertage grad
Pfingsten. / wir hatten schon vieles gesät.
Das Wasser kam bis auf den Weg unter ...
Montau / stellenweise in die Stube. Es gab immer
noch Ernte / Gerste u. Kartoffeln u. Heu u. viele
Pflaumen / wir haben 56 Tonnen gedarrt mit die
grosse Erddarren / die Tonne kostete nur 4 rM die
Tonne zu 200.
1838.
Es war ein gutes spätes Frühjahr / den 1ten Mai
war das Wasser bei uns noch etwas auf dem Wege /
das unterste Ende Montau noch in die
Weidenköpfe. Der Königl. Gestütsknecht, (die
Kgl. Hengste standen immer bei uns 9 G.) meint,
es könnte nicht mehr gutes Getreide geben. Das
Wasser war in 3 Tage bei uns fort, es gab noch
etwas Raps und gute Gerste, u. keine Pflaumen.
1839
ist David geboren / sonst ein gutes Jahr /
kam aber Sommerwasser den 1ten September / wir
haben noch bei uns etwas geerntet, es kam nicht
sehr hoch. Unterste Montauer nichts geerntet / es
blieb so einen Morgen vom Wege bei uns / wir
hatten etwas Raps und auch noch gute Gerste u.
viel Wasser Gerste, das war für die Mastschweine
/ auch G...? gab es, wohl an 2000 Scheffel.
1840
Ein ziemlich gutes Jahr, es gab doch etwas Raps
und Weizen.
1841.
Ebenso. Eisgang. Ziemlich günstig.
1842
ist Anna geboren / ein gutes Jahr. 140
Sch. Raps 3 rM. / viel Butter die Woche 100 bis
117 Pfd. Butter kostet 2 ½ Sbg. Käse 5000 Pfd;
einhundert Pfd. 6 rM, so billig war alles /
Gerste 21 Sbg, Roggen 25 Sbg d. Scheffel.
1843
ein ziemlich gutes Jahr.
Aber 1844
ein schrecklich grosses Sommerwasser / es kam bei
uns in die grosse Stube, in die anderen nicht; im
Stall 3 Fuss tief, die Pferde standen im
Hausflur, die Kühe oben auf die Steuerung (?),
als das Wasser am höchsten war. Dann wurde solch
grosser Sturm, dann schlug die Welle immer so
hoch an die grosse Flügeltür, dann brach der
Riegel und die Welle schlug über die Pferde
hinweg / Der Hengst kam los und die jungen Pferde
schlugen sich so sehr und der Wellenschlag dazu.
Am Schornstein spilte es die Ziegel unter. /
Wichert war auf dem Damm. Das war ein Schreck /
10 Pferde ... Die Dienstmädchen von der Höhe
weinten; sie waren kein Wasser gewöhnt /
Überschwemmung / sie meinten, der Schornstein
müsste mit der Zeit herumbrechen. / Ein Kahn war
nicht zu Hause / Mannsleute auch nicht /
Sämtliche Grenzen am Holz von Kriemork (?) /
Raps unser lag Geschnitten / Heukäpfen (?)
Scheunentüre alles auf unserem Forderhofe an die
grosse Scheune / das war fest durcheinander /
viele holten sich von uns sich ihr Grenzzeug /
mit Namen nur das / das Wasser fiel rasch fort /
das Vieh wurde wieder ausgetrieben / Wir
verkauften Kühe / Prachtkühe zu 21 bis 26 rM
das Stück / es gab Stoppel / Samen zu Geschenk
von die Regierung / aber Porto kostete mehr als
es wert war. Schlechtes Geschenk. Dann hies es
sparsam wirtschaften. / Löhne gab es die Hälfte
gegen jetzt. Und nun ist die Kleidung alles so
billig.
1845.
Wieder den 1ten August lief das Wasser / es kam
bei uns / 2 Morgen vom Wege blieb es / hatte
schöne Gerste und Sommerweizen / auf dem
Rosgarten Hirse u. Kartoffel / das Stroh war auch
noch teilweise gut. Das unterste Ende Montau
nichts / da heisst es Wirtschaft / Obst gab es
noch Pflaumen ziemlig, wir haben 10 Tonnen
getrocknet, kosten 10 rM. Butter gab es wenig,
weil das Futter zu schlecht / erster Schnitt Heu
war auch Wasser und Karpfenfang sehr gross, zu 24
bis 30 Pfd. schwer / Wenn unten die Weidenköpfe
untergehen ist unser Weg noch nicht ganz / jetzt
kommt das Wasser nicht mehr nun weiss es keiner,
es sieht nicht so aus. Wenn Ausbruch kommen
sollte, dann ist es aus. So -- glaube.Mein
Wichert fuhr mit Kruschinski mit die Fische in
grosse, Wanne (?) mit eine kleine Jagd Kahn nach
Graudenz, bekam nur für 50 Stück 23 rM, es
waren welche tot geblieben, die kleinen und die
grössten waren gestorben, wenn sie sich auf die
Seite gelegt hatten, aus dem Wasser heraus
trocken sterben lassen, dann schadet es nichts.
Es war für uns noch ein ziemlich gutes Jahr.
Verkauften 1846 von der Ernte 1845 noch im M. 30
Sch. Gerste zu 100 rM; auch Kartoffeln 1 rM 10
Sbg d. Scheffel, noch Roggen 8 Sch. zu 5 rM d.
Scheffel.
Unser Land ist ein bischen höher als Nachbar
Franz sein, nur ein Fuss, auch das spielt
manchmal eine grosse Rolle beim Frühjahrswasser.
Der Raps blieb bei uns, bei Franz nicht. Roggen
wurde wenig gesät, Weizen wässert nicht so
leicht aus als Roggen.
1846
ist Heinrich geboren.
(1847-1855, Abschriften der Aufzeichnungen
liegen nicht vor?)
1856
gutes Jahr. Getreide gut. Erbsen. Klee. - Toller
Hund.
1857
gut bis auf 10 Wochen! Frühjahrshochwasser. Raps
und Weizen ausgewässert. Heu gut. Grundstück in
Jellen gekauft.
1858
nichts besonderes. Gerste 26 Sbg; Heu 24 Sbg.
Nerventyphus Wichert Prozess aus 1855 s.o.
1859
ein gutes Jahr. Eisgang gut. Raps - Weizen
Heugros vermietet 150 rM ein.
"Die rechten Mittel sind Mässigkeit,
Pflichtgefühl, Selbst- und Gottvertrauen. Dem
kam es so leicht nicht fehlen."
(1860-1862,
Abschriften der Aufzeichnungen liegen nicht vor?)
1863
gutes Jahr. 360 Scheffel Weizen gedroschen. 700
Sch. Gerste. Scheffel zu 1 rM 25 Sbg. -
Eindeichungen inzwischen begonnen gebessert.
1864
ganz gut. - ganz gute Ernte.
1865
Regen in die Ernste. Parzellierungs -
"Schwindel".
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1836
kaufte mein Mann C. Wichert in Montau die erste
Häcksel Maschine, solange wurde alles auf eine
Handlade geschnitten, aber es war ein Leiden,
mancher Knecht verstand es nicht. 1857 haben wir
zuerst mit Dreschmaschine gedroschen, eine
geborgte. Dann kauften sich viele Besitzer immer
zwei zusammen schon Maschinen. 1843 hat mein Mann
ein Kochherd gekauft, wir und Facht, als das Holz
immer theurer wurde, kauften schon viele
Besitzer.
1856
haben wir das erste angefangen Petroleum zu
brennen, Petroleum kostete damals 5 Sgr. Oehl nur
9 - Oehl brennt länger. Jetzt kostet Petrol nur
2 Sgr. Jetzt ist in Preis od. Deutschland auch
schon eine Quele Erdöhl entdeckt 1879.
Als ich jung war, waren noch keine Maschinen,
jetzt wird mit Dampf gedroschen, gemäht,
gesäht, Torf gestochen, Baumeister hobeln mit
Maschienen. -
1852
bin ich das erstemal auf d. Eisenbahn gefahren
nur bis Terespol; jetzt ist es eine Kleinigkeit
nach Berlin fahren, früher waren nicht einmal
Schaseen (!)..
Nun folgt ein Beispiel f. d. Schaden des
freihändigen Gutsverkaufs nach der
Stein-Hardenbergschen Reform:
Ein Graf hat das Gut Cisenviec. Er bietet es
dem Grossvater Wichert an für 23000 rM bei 5 000
rM Anzahlung, der verpasste Anschluss. - Ein
Rechtsanwalt kauft es für 26 000 rM, verkauft es
nach 2 Monaten für 42 000 rM an einen Herrn
Weiss aus Danzig / Dieser verdient am Gut das
Doppelt durch Holzschlag u. Verkauf an Langholz
u. Schiffs (?)"
(gekürzt)
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