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Wo einst die Arbeitslosen siedelten

Vor 50 Jahren Am Zehnbuschgraben und an der Vogelsdorfer Straße

Vielleicht ist manch Schöneicher Bürger schon an den Reihenhäusern Am Zehnbuschgraben/Vogelsdorfer Straße vorbeigegangen, ohne zu wis­sen, wann und wie sie entstanden sind. Man muß sich zurückdenken in das Jahr 1932. Damals herrschte be­sonders unter den Bauhandwerkern große Wohnungsnot, hervorgerufen durch die Weltwirtschaftskrise. Um sie zu lindern, wurde der Beschluß gefaßt, Reihenhäuser als Eigenheime durch und für arbeitslose Bauhand­werker bauen zu lassen. Im April 1933 wurde zu diesem Zweck Ackerland des Bauern Waldemar Grätz (Großvater vom jetzigen Pastor Grätz) von der Gemeinde Klein Schönebeck erworben. Am Werk beteiligten sich 28 Handwerker Maurer, Zimmerer, Tischler, Glaser, Maler. Die Bauleitung hatten Otto Klatt und Karl Schneider.

Viele der Bauarbeiter waren Mitglieder der KPD, deshalb bezeichnete man das Wohngebiet als „Rote Siedlung" und als „Klein Moskau". Besonders aktive Genossen waren AIfred Meyd, er gehörte zur Wachmannschaft der Reichsparteischule der KPD in Fichtenau, Kurt Münster, Max Schwetner, Robert Stabenow, Max Schütze und Richard Grützmacher. Während der Nazidiktatur wurde keiner von ihnen zum Ver­räter, keiner der Bauhandwerker gehörte der Nazipartei an.

Während der Bauarbeiten waren die Grundstücke nicht zugeteilt. worden, erst nach Fertigstellung sämtlicher Rohbauten wurden die Häu­ser und Grundstücke ausgelost. Von diesem Zeitpunkt an arbeitete jeder Siedler nach 16 Uhr und auch übers Wochenende an der Fertigstellung seines eigenen Hauses. Die ersten Siedler zogen im Juni 1934 ein.

Viele Siedler bezogen nur notdürftig fertiggestellte Hauser, da sie in ihren alten Wohnungen infolge der Arbeitslosigkeit seit Monaten in Mietrückstand waren. Die neuen Siedlungshäuser wurden nach Zeichnungen des Architekten Stamm gebaut, er hat in unserem Ort mehrere Typen errichtet. Die Siedlungs­häuser waren für kleine Familien gedacht (maximal zwei Kinder), dazu gehörten: Erdgeschoß mit Diele (zugleich Waschküche), Wohnzimmer, Küche und WC; das Obergeschoß mit Schlafzirnmer/Kinderzimmer. Alle Objekte sind voll unterkellert, zu jedem Grundstück gehörte ein Kleintierstall. Vom Gärtner wurde eine Grundbepflanzung vorgenom­men, das heißt je Grundstück: ein Süßkirschbaum, ein Klarapfel, ein Pflaumenbaum, eine Schattenmorelle, ein Winterapfel und ein Birnbaum,

Heute wohnen in den Häusern bereits die Kinder der Erbauer bzw. neue Eigentümer. Von den Erbauern leben nur noch Ernst Herse und die Frau des Zimmerers Otto Rehfeldt. Otto Hanne und Max Rehfeldt kehrten aus dem Kriege nicht zurück. Besonders möchte ich Altred Meyds gedenken, der unsere Straßen und Wege bis zui seinem Tode instand gesetzt hat. Er war mit Karl Krohn der Initiator unserer Siedlungsfeste, stets hilfsbereit und fühlte sich für alle unsere Sorgen zuständig.

Gerhardt K l a t t

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